Verantwortung für die Lieferkette betrifft uns alle – und damit auch den Staat selbst

In der aktuellen Gesetzgebung stehen bedeutende Veränderungen im Bereich der Nachhaltigkeit und Bekleidung an, die darauf abzielen, den ökologischen Fußabdruck der Textil- und Bekleidungsindustrie zu verbessern. In verschiedenen Blogartikeln, darunter "Die Pläne der EU im Green Deal", hat unser Team bereits detailliert über diese Thematik berichtet. Der Fokus liegt dabei auf den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Rahmen von Circular Economy und Nachhaltigkeit.

Während der Gesetzgeber zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der "grünen" Transformation verschiedener Industrien, darunter auch die Textilbranche, vorschlägt, wirft dies zugleich die Frage auf, wie sich der Staat selbst als Einkäufer in dieser Hinsicht verhält. Diese Thematik wurde kürzlich im Kontext der Vergabe einer Rahmenvereinbarung für PKW durch die Bundesbeschaffung GmbH vor Weihnachten intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert.

Mit diesem Beitrag möchte ich mich an dieser öffentlichen Diskussion beteiligen und meine Gedanken dazu teilen, wie der Staat als Einkäufer eine aktive Verantwortung übernehmen kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass staatliche Institutionen nicht nur Gesetze fördern, sondern auch in ihren eigenen Beschaffungspraktiken Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit priorisieren. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze im Zusammenhang mit der öffentlichen Beschaffung im Kontext der Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

Wer ist die Bundesbeschaffung GmbH?

Die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) wurde im Juli 1997 ins Leben gerufen. Die Gründung erfolgte während der Amtszeit des damaligen Bundeskanzlers Viktor Klima. Die Gesellschaft ist zu 100 % im Eigentum der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Finanzen. Die BBG wurde gegründet, um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Beschaffung für die Bundesverwaltung zu verbessern. Eine zentrale Stelle sollte geschaffen werden, die für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für verschiedene Ministerien und Einrichtungen der Bundesregierung verantwortlich ist. Durch die Bündelung von Einkaufsaktivitäten und die Nutzung von Synergien sollte die BBG Einsparungen erzielen und die Qualität der Beschaffungen verbessern.

Dieser Beschaffungsvorgang wurde heftig diskutiert

Die BBG hat eine Rahmenvereinbarung zur Beschaffung von Personenkraftwagen geschlossen. Einer der fünf Vertragspartner ist ein österreichisches Unternehmen, das als Importeur für die chinesische Automarke BYD fungiert. Die Vergabe dieses Vertrags hat in der Öffentlichkeit zu erheblicher Diskussion geführt, wobei sowohl Kritik an der Beschaffung als auch offizielle Stellungnahmen der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) veröffentlicht wurden.

Selbstverständlich habe ich nicht nur die Kritik an der Beschaffung verfolgt, sondern auch die Erklärungen der BBG aufmerksam gelesen. In Anbetracht der öffentlichen Diskussion und der aufgekommenen Fragen ist es selbstverständlich, dass ich davon ausgehe, dass die verantwortlichen Damen und Herren der BBG auch bei dieser Beschaffung die bestehende Gesetzgebung vollständig und unmissverständlich beachtet haben.

Welchen Stellenwert haben Umweltaspekte bei Beschaffungsvorgängen?

Während es zweifellos wichtig ist, sicherzustellen, dass die BBG die bestehende Gesetzgebung eingehalten hat, stellt sich zusätzlich die Frage, ob die Handlungen im Einklang mit den Prinzipien der Umweltfreundlichkeit und einer nachhaltigen Entwicklung unseres Planeten stehen. Insbesondere in Zeiten, in denen weltweit verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um Umweltbelastungen zu reduzieren und nachhaltigere Praktiken zu fördern, ist es von entscheidender Bedeutung, dass staatliche Beschaffungen nicht nur gesetzlich konform, sondern auch umweltverträglich sind.

Es gibt eine Reihe von Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden sollten und aus meiner Sicht auch offengelegt werden sollten:

Hier nur einige Vorschläge:

  • Sind Entfernungen von Herstellungsstätten zu den Regionen der Verwendung in der Ausschreibung berücksichtigt worden?
  • Mussten Transportwege über mehrere Stufen der Lieferkette offengelegt werden, wurden diese überprüft und bewertet?
  • Sind Rücknahmesysteme und mögliche Recyclingszenarien Teil der Ausschreibung gewesen? Sind diese Szenarien überprüft worden bzw. sind die kommunizierten Lösungsansätze, Technologien und Logistiksysteme schon bestehend.
  • Wurde der Energiebedarf im Herstellungsprozess erfasst und bewertet? Wurde bewertet, welche Energiequellen für die Erzeugung Verwendung fanden?
  • Wurde der Einsatz von Chemikalien und anderen Rohstoffen abgefragt, beurteilt und bewertet.
  • Sind Fragen der fairen Entlohnung nach dem „Living wage“ Ansatz hinterfragt und beurteilt worden?
  • Wurden Abfallkonzepte erhoben und abgefragt?
  • Wie wurde die Langlebigkeit und der zu erwartende Servicebedarf sowie der Werteerhalt in eine Berechnung der zu erwartenden Betriebskosten miteinbezogen?
  • Wurden die teilnehmenden Unternehmen angehalten, eine vollständige und von einem unabhängigen Dritten erstellte CO₂ Bilanz des gesamten Herstellungsprozesses abzugeben? Man hätte dafür Zusatzbewertungspunkte für die Gesamtbeurteilung vergeben können.
  • Wurde ein nachweislicher Minimalansatz bezüglich des Rezyklatanteils des bestellten Produktes abgefragt und bewertet?

Oder wurden lediglich Basisdaten wie Zulassungsfähigkeit, Maße, Gewichtsangaben, Leistung und Werte wie die zu erwartete Reichweite im Betrieb und andere technische Daten erhoben?

Welche Rolle spielt der „NABE“, der Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung?

Unter dem Slogan „Die öffentliche Hand zeigt’s vor“ und heute finanziert durch das Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurde von der Bundesregierung unter Werner Faymann im Juli 2010 der „NABE“, der Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung installiert. Auf der Webpage dieser Initiative können die nachhaltigen Beschaffungskriterien für die unterschiedlichsten Beschaffungsbereiche, darunter auch Fahrzeuge und Textilien nachgelesen werden. Bei Betrachtung eben dieser Kriterien wird offensichtlich, dass bezüglich der nachhaltigen Beschaffungsziele ein großer Nachholbedarf besteht und sowohl bei Fahrzeugen als auch bei Textilien Kriterien wie Kreislauffähigkeit oder Rezyklatanteile gänzlich fehlen.

Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wie stark die Vorgaben und Richtlinien der „NABE“ tatsächlich in der Konzeption und Ausgestaltung öffentlicher Beschaffungsvorgänge Verwendung finden. Diese Frage ist nicht nur für Beschaffungen zu stellen, die durch die BBG durchgeführt werden. Auch die Vielzahl an Beschaffungsvorgängen, die von Ministerien, Ländern und Gemeinden direkt durchgeführt werden, sollte zumindest den von der „NABE“ vorgegebenen Kriterien entsprechen.

Wie sieht echtes Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung aus?

Wenn der Staat wirklich daran interessiert ist, seine eigenen Vorgaben im Bereich der Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit ernst zu nehmen, wird er sich zukünftig mit genau diesen Fragen, und wahrscheinlich noch vielen weiteren, auseinandersetzen müssen. Die jüngste Diskussion um die Beschaffung von Fahrzeugen durch die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) wirft nicht nur einen Blick auf die rechtliche Einhaltung, sondern auch auf die ökologische Verantwortung staatlicher Institutionen.

Die Einbeziehung von Umweltaspekten und ökologischen Kriterien in den Beschaffungsprozess wird also entscheidend sein, um sicherzustellen, dass staatliche Ressourcen nicht nur effizient, sondern auch im besten Interesse der Menschen und der Umwelt genutzt werden.

 

Claus Bretschneider