Eines der größten Probleme der Modeindustrie liegt in ihren Strukturen – oder besser gesagt: in ihrer Unübersichtlichkeit. Sie sind nicht nur für Außenstehende kaum nachvollziehbar, sondern auch für viele Unternehmen selbst ein Rätsel. Die einzelnen Schritte hinter einem Kleidungsstück sind häufig nicht bekannt.
Die meisten Marken agieren heute nicht mehr wie Hersteller, sondern wie Marketingagenturen und Einzelhändler. Sie haben den direkten Bezug zur Produktion und das technische Know-how längst verloren – ausgelagert. Die Folge: intransparente Abläufe.
Wie Auslagerung heute aussieht
Die komplette Kette – von Design bis Logistik – wird oft an externe Firmen abgegeben. Ein typischer Ablauf sieht so aus: Ein europäisches Headquarter entscheidet, welche Produkte in die nächste Saison kommen sollen. In Hongkong nimmt ein Beschaffungsunternehmen den Auftrag entgegen. Das Design wird an eine andere Firma weitergegeben, die einen Vorschlag erstellt. Nach Freigabe durch das Headquarter organisiert der Beschaffer die Produktion über weitere Dienstleister, koordiniert Transport und Logistik.
Die Rohstoffe? Darüber wird selten gesprochen. Selbst der Vertrieb wird häufig fremdorganisiert. Was bleibt, ist das Marketing.
Das große Unwissen
Die Folge: Kein Akteur in dieser Kette hat den vollständigen Überblick. Die einzelnen Stufen kennen oft nicht einmal ihre direkte Vorstufe. Diese Fragmentierung über Länder, Zeitzonen und Kulturen hinweg macht das System nicht nur ineffizient, sondern verhindert auch jegliche Form von Kontrolle und Verantwortlichkeit.
Warum Nähe der Schlüssel ist
In solchen Strukturen werden Standards zur Illusion – egal ob es um Arbeitsbedingungen oder um Rohstoffe geht. Und oft scheint das den Firmen auch gleich zu sein. Es ist der günstigere Weg. Vielleicht auch der bequemere, weil er Verantwortung verschleiert.
Was es braucht, ist Nähe: geografisch und organisatorisch. Nur so lässt sich Transparenz schaffen. Nur so lässt sich Qualität wirklich sichern. Das geht nicht ohne die Bereitschaft der Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen. Und nicht ohne Konsument*innen, die informierte Entscheidungen treffen wollen.