Die Nachrichten der letzten Woche rund um Entwicklungen der Textil- und Bekleidungsbranche in Europa waren durchaus negativ:

Zuerst der Konkurs des schwedischen Unternehmens Renewcell, dem vermutlich größten und wichtigsten Unternehmen in Europa, das gebrauchte Bekleidung wieder zu Naturfaser umgewandelt hat. Die Eigentümer, darunter der Bekleidungsgigant H&M, haben die Finanzierung des Unternehmens vor dem Hintergrund schlechter Absatzzahlen nicht mehr weiter sicherstellen können. Unter den Kunden des Unternehmens ist der oberösterreichische Faserkonzern Lenzing. Auch Lenzing kämpft mit schlechten Absatzzahlen. Ein trauriger Tag für die Entwicklung einer nachhaltigen Textil- und Bekleidungswirtschaft in Europa.

Dann konnte im Europäischen Parlament keine Mehrheit für das an sich längst ausverhandelte Lieferkettengesetz gefunden werden. Vor dem ersten Versuch wurde die Abstimmung noch verschoben, beim zweiten Anlauf ist die Abstimmung dann durchgeführt worden. Eine Mehrheit für das Gesetz, das große Betriebe in die Situation gebracht hätte, Verantwortung für Ihre weltweiten Lieferketten zu übernehmen, konnte nicht gefunden werden.

Dass in derselben Woche die österreichischen Medien noch über die unfassbaren Mengen, die von den chinesischen Online-Händlern Shein und Temu mittels Frachtflugzeugen nach Europa und in die USA versendet werden, berichtet haben, hat den Reigen der schlechten Nachrichten noch vergrößert. Die beiden Online-Giganten benötigen täglich die gesamte Kapazität von über 100 Frachtflugzeugen in der Größe einer Boeing 777. Zollkontrollen werden durch die Versendung von Kleinpaketen unterwandert.

Es wird wirklich Zeit für gute Nachrichten in Sachen Textil

Also werde ich heute Positives berichten. Auch wenn es schlechte Nachrichten gibt, gibt es ausreichend gute: Unterschiedliche Dinge und Informationen rund um das Thema Bekleidung haben mich in derselben Woche wirklich beeindruckt. Dazu ist zu erwähnen, dass man für gute Nachrichten aus der textilen Welt auch nicht weit reisen muss. Viele geniale Dinge passieren praktisch vor unserer Haustüre.

Forschungen und Publikationen der Technischen Universität Wien

Ich hatte in der vergangenen Woche ein spannendes Gespräch mit einem jungen Wissenschaftler an der TU, genauer am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften. DI Wolfgang Ipsmiller ist Chemiker. Er hat mich Anfang November sehr beeindruckt, als er in einem von der WKO (Wirtschaftskammer Österreich) über textile Kreislaufwirtschaft organisierten Seminar einen wirklich informativen Vortrag über den aktuellen Stand der Forschung und Technik gehalten hat. In seinem Vortrag hat er vieles, was ich sonst aus den unterschiedlichsten Quellen recherchieren muss, einfach und gut verständlich zusammengefasst. Das Studium der Fußnoten und der Literaturverweise in seiner Präsentation hat mich dann zu Publikationen geführt, die voller wertvoller Daten und wissenschaftlicher Erkenntnisse waren. Das jetzt geführte Gespräch mit Herrn Ipsmiller war mindestens genauso spannend und informativ. Mich hat begeistert, wie intensiv man sich an der technischen Universität in Wien mit der Erforschung und (Weiter-)Entwicklung der unterschiedlichen Recyclingtechnologien im textilen Umfeld befasst. Das Gespräch war dahingehend interessant, dass heute noch als unmöglich eingeschätzte Prozesse im Recycling von Natur- und Kunstfasern durch Forschung und Entwicklung in der Zukunft gelöst werden können. Zu diesen Themen zählt unter anderem das Aussondern von Farbstoffen oder die Tatsache, dass das Trennen von Mischfasern technisch durchaus lösbar ist. Das Gespräch hat mir aber auch vor Augen geführt, dass die notwendige Forschung tatsächlich passiert – und das bei uns in Wien an der Technischen Universität am Getreidemarkt.

Ein Start-up, das die Welt des Nähens revolutionieren will – gegründet in Wien

Robotik hat die Textil- und Bekleidungsbranche noch nicht erreicht. Während in anderen Industrien, wie der Automobilindustrie, eine Fertigung ohne Robotik nicht mehr denkbar ist, herrscht in der Bekleidungsindustrie noch Handarbeit vor. Das will das Wiener Start-up „Silana“ ändern und hat sich zum Ziel gesetzt, Bekleidungsfertigung zukünftig vollautomatisiert möglich zu machen. Als ersten Milestone hat man die robotikgesteuerte, vollautomatische Herstellung von T-Shirts erreicht. Mit dieser Errungenschaft ist es den drei jungen Gründern aus Wien gelungen, internationale Finanzierungen für ihr Projekt zu finden. Aktuell sind die „Silanas“ in den USA, um von New York aus den weiteren Entwicklungen und vor allem auch die weiteren Finanzierungen voranzutreiben. Die Idee und die Errungenschaften dieser drei Bekleidungs- und Automatisierungsenthusiasten sind für mich ein echter Lichtblick. Automatisierung mit Roboterarmen kann die Herstellung von Bekleidung massiv verändern und das von mir immer wieder propagierte Ziel, Bekleidung erst dann zu fertigen, wenn die Bestellung schon ausgelöst ist und der Bedarf nachweislich besteht, zur Realität werden lassen. Dieses Konzept der „on demand Fertigung“ könnte dazu beitragen, dass die derzeitigen weltweiten Überproduktionen eingedämmt werden. Ich hoffe sehr, dass wir bald von den nächsten Milestones von Silana hören und lesen werden.

Secondhand Shopping wird attraktiv

Der Carla Pop-up-Store auf der Mariahilfer Straße ist eine echte Erfolgsgeschichte. Vor einem Jahr wurde er eröffnet und sollte für drei Monate geöffnet sein. Jetzt ist er bald seit einem ganzen Jahr offen und freut sich bester Beliebtheit. Secondhand Shopping hatte bis zuletzt einen eher zweifelhaften Ruf. Es ist noch nicht lange her, da musste man in Österreich in den hintersten Ecken von wenig attraktiven Lagerhallen der Caritas oder anderer Organisationen stöbern, um halbwegs attraktive Secondhand Bekleidung zu ergattern. Ähnlich wie in den Szenebezirken in Berlin oder London kann man jetzt auch auf der Wiener Mariahilfer Straße Secondhand Bekleidung in einem Umfeld kaufen, dass attraktiv, sauber und sympathisch ist. Das ist aus dem Grund so wichtig, weil die Wiederverwendung bereits bestehender Bekleidung der erste und absolut wichtigste Schritt hin zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ist. Es geht in der Kreislaufwirtschaft um die möglichst optimale und langzeitige Nutzung von Ressourcen. Die Wiederverwendung von bereits produzierter Bekleidung kommt hier an allererster Stelle. Darum ist diese Entwicklung so positiv, und sie passiert hier in Wien.

Ein Buchtipp – Rethink Mode, von Franziska Fulvio und Britta John

Am Ende meines Aufrufs zum positiven Denken möchte ich ein Buch vorstellen. „Rethink Mode“ hat mich fasziniert. Ein Buch, das man zu Hause haben sollte. Die beiden Autorinnen erklären auf eine sehr lockere und sympathische Art, wie wir alle mit dem Thema Mode umgehen sollten. Ein Buch, das vor allem zum Nachdenken anregt. Man lernt viele verschiedene Fassetten eines möglichen nachhaltigen Umgangs mit Bekleidung, von der Pflege über die Reparatur bis zur sinnvollen Weitergabe. Eine klare Leseempfehlung von meiner Seite und ein Buch, das mich positiv stimmt, dass Mode nicht immer problembehaftet sein muss, sondern richtig angegangen absolut Spaß machen kann.

Claus Bretschneider